Exkursion ins Taeter Theater Heidelberg

Am Freitagabend, dem 28. November 2014, trafen sich Schülerinnen und Schüler des Philosophiekurses des SGG und des BKSP der Albert-Schweitzer-Schule gemeinsam mit ihrem Lehrer, Michael Heitz, im Taeter Theater in Heidelberg. Anlass für die Exkursion mit ca. 80 Personen, war das Theaterstück „Die geretteten Kinder“ von Hans-Werner Kroesinger, das schon seit 2012 in abgewandelter Form von den Schauspielern des Taeter Theaters aufgeführt wird.

10.000 jüdische Kinder konnten von Dezember 1938 bis September 1939 das nationalsozialistische Deutschland mittels Kindertransporte nach England verlassen. Einige dieser Kinder hinterließen schriftliche Berichte über diesen bedrückenden, gravierenden Lebensabschnitt, die Hans-Werner Kroesinger zu einem Theaterstück zusammenfügte. Vor dem Theaterbesuch befassten sich die Lernenden mit dem Thema „Kindertransporte“ und schauten einen kurzen Film mit und über Zeitzeugin Kitty Suschny und ihren Mann.

In dem von Wolfgang Graczol inszenierten Stück schickt er das Publikum auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Er hat sich dabei für acht Darsteller entschieden, die dem Zuschauer das Geschehen so präsentieren, als wäre es ihm selbst widerfahren. Die individuellen Geschichten der einzelnen Personen kreuzen sich während des Stücks hin und wieder. So werden negative Ereignisse, wie das Auserwählen der „geistig und körperlich gesunden Kinder“, sowie positive Ereignisse, wie die darauffolgende freudige Zugfahrt in die neue Heimat, zum gemeinsamen Erlebnis von Darstellern und Publikum.

In der Szene, in der die acht Personen ihr Empfinden in den Pflegefamilien in England schildern, befindet sich der Zuschauer auf einer Gefühlsachterbahn: Man freut sich mit denen, die das Glück auf ihrer Seite hatten und fühlt mit denen, die es nicht hatten. Gleichzeitig werden hier britische Stereotypen »

» aufgegriffen, die das Publikum durch Auffrischung englischer Vokabeln, „sugar“ und „milk“, miteinbezieht. An dieser Stelle konnte sich der ein oder andere Zuschauer das Lachen nicht unterdrücken, was vom Regisseur Wolfgang Graczol sehr begrüßt wurde. Das Stück endet schließlich so wie es beginnt: Acht Personen warten in der Gegenwart getrennt voneinander am Bahnsteig auf ihren Zug. Ein genialer, plötzlicher Zeitwechsel findet statt.

Die gesamte Inszenierung beschränkt sich auf wenige, aber außerordentlich durchdachte Requisiten, die von Anfang an die Aufmerksamkeit auf die Geschichte lenken. Das Bühnenbild, das einen Bahnsteig darstellte, wurde während des Stücks nur minimal verändert und so genutzt, dass es in jeder Szene einen anderen wirkungsvollen Zweck erfüllte.

Nach der Vorstellung hatten die Lernenden die Gelegenheit eine Schüssel Suppe, die vom Regisseur zubereitet wurde, mit den Darstellern zusammen zu genießen und so mit ihnen persönlich ein Gespräch zu führen. Außerdem nahm sich Wolfgang Graczol Zeit, um Fragen zu beantworten und Eindrücke zu sammeln.

Er erklärte in diesem Gespräch unter Anderem, dass die Texte der Schauspieler größtenteils auf authentischen Berichten der Zeitzeugen beruhen und dass einer der Schauspieler, Erich Ueltzhöffer, tatsächlich ein Zeitzeuge war. Angeregt durch die Frage einer Schülerin verdeutlichte er, weshalb die Schauspieler „moderne“ Kleidung trugen, statt den Flair der 30er Jahre durch entsprechende Kleidung nach außen zu tragen: Die „modernen“ Klamotten erzeugen in Kombination mit den „alten“ Geschichten der Charaktere eine Verbundenheit zwischen heute und damals. Das Publikum stellt dadurch unterbewusst einen Bezug zur Gegenwart her, so als wären alle Darsteller Zeitzeugen. Sie werden daran erinnert, dass die Berichte auf Tatsachen basieren. Die Musik der „Comedian Harmonists“, so Graczol, soll an früher erinnern.

Wer das Theater nach diesem Stück verlässt weiß um die große Verantwortung, dass auf Ausgrenzung, Fremdenhass und Rassismus in unserem Land mit Engagement und Zivilcourage entgegnet werden muss. Monja Weidmann