Kinder erfinden Mathematik

Eine Bildungsveranstaltung für die Oberstufenklassen der FSP

Die seit Jahren geführte Bildungsdiskussion im Elementarbereich hat die Mathematik längst in fast allen Kindergärten etabliert. Die Förderwut von Bildungspolitikern, Erziehern und Eltern verlangt das frühe Lernen mathematischer Grundkenntnisse als Vorbereitung auf die Grundschule bereits in der „Vorschule“ und konzentriert sich dabei meist auf wissenschaftlich abgesegnete Fertigprogramme. Dabei wird Mathematik leider fast immer auf das Erlernen von Zahlen und Mengen und das Unterscheiden von geometrischen Formen reduziert, also auf Größen, die als „Ergebnis“ zwingend feststehen.

Was sind mathematische Früherfahrungen und wie können Kindergartenkinder von Erziehern und Erzieherinnen darin so begleitet werden, dass kindgemäß und entdeckend gelernt werden kann, ohne auf feste Ergebnisse abzuzielen? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der zweitägigen Veranstaltung „Kinder erfinden Mathematik – Mathematik anders machen“, die Ende April für die Klassen 2BKSP2/1 und 2/2 stattfand.

Als Referentinnen konnten wir zum wiederholten Mal Ulrike Thesmann, Erzieherin mit Aufbaustudium von der Wartburg-Grundschule Münster (deutscher Schulpreis 2008 für die beste Grundschule Deutschlands) und Kerensa Lee, Grundschullehrerin und freie Mitarbeiterin an der Universität Bremen, an die Albert-Schweitzer-Schule gewinnen. Das Konzept der „anderen Mathematik“ wird von der Telekom-Stiftung gesponsert und war für alle kostenfrei.

Das Entdecken mathematischer Strukturen mit gleichem Material in großer Menge forderte die Schüler zu immer neuen Ideen heraus und zeigte auf, wie und womit Kinder einen leichten Zugang zu mathematischen Strukturen finden können. Mit Hunderten von Eisbechern wurden verschiedene Gebäude gebaut und dabei z.B. festgestellt, dass das Fundament einer regelmäßigen Pyramide nicht beliebig viele Becher braucht, wenn die Spitze aus nur einem Becher bestehen soll. Viertausend Ein-Cent-Stücke (sprich: 40 €) provozierten zum Sortieren, Legen von Motiven, Vergleichen, Suchen (Ländermotive, neue und alte Stücke und – Falschgeld: Die Bank hatte tatsächlich 7 alte Pfennigstücke eingeschmuggelt und damit unbewusst einen Suchprozess in Gang gesetzt). Eine große Menge gleicher Eislöffel, viele gleich große Minifliesen und über 300 große Augenwürfel waren beispielhafte Materialien, mit denen Kinder sich eigene Aufgaben stellen und so geordnete Strukturen herstellen.

„Die dabei entstehenden mathematischen Ideen ergeben sich über Assoziationen zu den Eigenschaften des speziellen Materialangebotes. Kinder erstellen und explorieren – auch ohne Anleitung einer Lehrperson – mit einfachsten Materialien mathematische Muster. Sie gehen dabei in die Tiefe, es entstehen Objekte wie die „ganz richtige Pyramide“, verschiedene Figuren, das Große, das Nächst-Größere, das Aller-Allerkleinste, Formen und Körper, gekennzeichnet mit Spiegelachsen und Mittelpunkten.“ (Kerensa Lee in: Mathemagische Momente, Timo Leuders, Lisa Hefendehl-Hebeker, Hans-Georg Weigand (Hrsg.), Berlin 2009)

Auf diese Weise hatten die Schüler Gelegenheit, eine andere Form mathematischen Lernens für Kinder kennenzulernen und im Austausch mit den Referentinnen zu diskutieren. Die Veranstaltung hat aufgezeigt, dass Mathematik aus mehr besteht als aus Zahlen und Mengen, dass Kinder einen experimentellen Zugang zu mathematischen Strukturen finden können, dass Mathematik Spaß machen kann, dass es auch andere und ganzheitlichere Konzepte als das scheinbar obligatorische „Zahlenland“ gibt und dass Lernen und Fördern grundsätzlich vom Kind aus betrachtet werden muss. Insofern war diese Veranstaltung ein wertvoller Beitrag für unsere Erzieherausbildung. we