„Schlag die Trommel und fürchte dich nicht!“

Mit diesem Vers beginnt ein Gedicht von Heinrich Heine mit dem Titel „Doktrin“. Es enthält als Lebensregel die Aufforderung zu Furchtlosigkeit und zupackendem Handeln.

Genau unter diesem Motto stand die Ausstellung im Stift Sunnisheim. Christine Mohler vom Bürgerkreis Sinsheim e. V. führte am Montag die Klassen 1BKSP1 mit Monika Heitz-Buttendorf und Karin Wörsinger und am Dienstag 1BKSP2 und 2BFHK2 mit Ines Schneck und Karin Wörsinger in die Bilderausstellung ein.

Durch spielerische Übungen, beispielsweise einen Ball im großen gespannten Fallschirm mit 10 Personen kreisen zu lassen, wurde das Bild einer psychisch kranken Mutter und ihrem sozialen Umfeld verdeutlicht. Fallen Personen wie Vater, kleine Geschwister, Omas, Nachbarn, Freunde weg, muss beispielsweise eine 12-jährige Tochter alleine den Fallschirm, sprich die Aufgaben im Haushalt mit der psychisch kranken Mutter tragen, was automatisch zum Scheitern verurteilt ist, so sehr sie sich auch bemüht.

Durch diese Veranschaulichung bekamen die Schülerinnen und Schüler einen sehr guten Einblick dafür, wie und was sich gerade in solchen Familien mit psychisch Kranken abspielt. Beeindruckend waren später die Texte und Tagebucheinträge von Sylvia Kreutz, Mitarbeiterin des Bürgerkreises und selbst Betroffene, die bedrückend, verstörend und authentisch zugleich über ihre Erlebnisse als Kind einer psychisch kranken Mutter erzählte.

Offen erzählte sie von Selbstmordversuchen, Magersucht und Ritzen als Konsequenz dessen, dass die Krankheit ihrer Mutter nicht öffentlich gemacht wurde und allzeit ein Tabu war. In der anschließenden Fragerunde durften unsere Schüler Fragen stellen, die anfangs zaghaft und unsicher, später aber zusehends „mutig-neugierig“ waren und unser Unverständnis darüber zeigten, was mit Kindern, die solche Erfahrungen schon in frühester Kindheit machen mussten, passiert.

In einem sehr persönlichen Feedback dankten die Schüler Sylvia Kreutz für ihren Mut und ihre Offenheit, über ihre sehr persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse zu sprechen. Sichtlich bedrückt machten wir uns dann auf dem Weg zum Jugendhaus.

Das Jugendtheaterstück „Nutters“ rundete diesen Thementag gelungen ab. Das englische Wort „nuts“ heißt so viel wie durchgedreht, verrückt und „nutters“ sind folglich Irre, Verrückte. Ein Thema, das alle angeht: Stasi (eigentlich Anastasia), eine Jugendliche – fast schon eine junge Frau – hat eine psychisch kranke Mutter.

Lange genug hat sie mit dem Geheimnis gelebt – dann platzt es aus ihr heraus „MEINE MUTTER IST EIN PSYCHO“.

Dumm nur, dass Gabor, dem sie sich anvertraut, nicht der Therapeut ist, für den sie ihn versehentlich hält, sondern „nur“ ein Zivi. Dennoch vertraut sie sich ihm an und er spielt die Rolle mehr unfreiwillig aber neugierig geworden, mit.

Mit Musikstücken und frech-fetzigen, aber sehr nachdenklichen Texten war das 75 Minuten dauernde Stück sehr gut inszeniert. Im abschließenden Publikums-Darsteller-Regisseur (mit dessen „Theater“bulldogge Watson auf der Bühne)-Gespräch konnten nochmals Fragen zum Inhalt des Stückes oder auch Hintergrundwissen zum Thema abgefragt und diskutiert werden.

Es war uns in der Tat nicht bewusst, dass eines von 30 Kindern in Deutschland mit mindestens einem psychisch kranken Elternteil aufwächst. Sie müssen früh erwachsen werden, Verantwortung für ihre Eltern übernehmen, obwohl sie eigentlich noch Kinder oder Jugendliche sein sollten. Aber der Druck, das „Familiengeheimnis“ nicht zu verraten, ist riesig.

Wir haben gelernt: Es ist keine Schande, mit so einem Geheimnis zu leben. Es ist wichtig, mehr damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Gerade für die Schüler der Abteilung Sozialpädagogik ist dieses Thema zusehends wichtig und sollte häufiger – auch im Lehrplan – aufgegriffen werden. wö